Was doch so alles passieren kann …

... im Verlauf von 135 Meilen. Oder davor. Oder danach (da weiß ich aber noch nix…).

winner and runner up at 2244m on Karwendelspitze
Das große Ziel war eine goodwater Kopie des badwater runs – also 135 Meilen, nicht am schlechten Wasser und in der Hitze von Death Valley, sondern entlang der blauen Isar, bei unserem angenehmen Klima und der schönen Landschaft (die die Athleten wohl während des Rennens kaum bewundern würden – sofern nicht … aber dazu später).

Also – Uli war überzeugt, daß wir das in good old Bavaria mindestens genauso gut hinbekommen würden, wie die Amis. Werbung war genügend gemacht – aber leider liegt wohl Niederaichbach, der Startort, (noch) nicht am Nabel der Ultramarathon-Welt. Weswegen statt der geplanten 50+ Athleten sich nur 11 anmeldeten.

Und dann nur 5 wirklich antraten. Überschaubar. Weniger Athleten als Helfer. Aber dennoch nicht weniger schwierig zu laufen, als wenn’s 50 geworden wären. Was ich dabei wollte? Erwin – der ja für alles was auch nur entfernt mit Laufen zu tun hat, ein offenes Ohr und helfende Hände (oder was auch immer) hat – informierte mich, daß Uli noch gerne jemand dabei hätte, der zwischenzeitlich mal nach Englisch übersetzen würde; was ich dann auch tat. Mehr oder weniger (wie er am Ende anmerkte, denn manchmal habe ich seine Worte ein bißchen ausgeschmückt).

Also trafen wir uns alle in Niederaichbach, gingen nochmals die Regeln durch, wurden durch Bürgermeister und Gemeinde – ein Danke dem Sponsoring – würdig empfangen und schickten am nächsten Morgen die Athleten auf die Reise.

An der Strecke gab’s genügend Service-Points, an denen die Assistenten der Läufer ihre Athleten aufpäppeln, mit Drinks versorgen oder (wenn eine nette Dame hinter einem schnellen Herren stand) auch mal mit einem Kuß wieder den Adrenalinspiegel auf Vordermann bringen konnte.

Wenn denn der Service auch wirklich geboten wurde. Da murphyte es ganz schön rum: Die Amerikaner hatten mit Christoph einen deutschen Fahrer im Leihwagen angeheuert, der dann bald nach dem Start irgendwo ordnungsgemäß links abbog, was aber den Gegenverkehr nicht interessierte - auch wenn da die Ampel auf Rot stand. Ergebnis: Auto kaputt. Ersatzfahrer für den Rest des Tages suchen und einen neuen Leihwagen organisieren. Alles machbar. Alles gemacht. Alles wieder OK.

Dann erwies sich aber das goodwater running als nicht so ganz zutreffend. Zwar hatte Uli dafür gesorgt, daß der Regen am Starttag pünktlich eingestellt wurde, aber die Isar zeigte sich von der braunen – also colorwater - Seite und trat auch noch in Grünwald so über die Ufer, daß die Strecke unpassierbar war. Reinhard fand zwar eine neue Route, die aber der österreichische Teilnehmer nicht mehr laufen konnte, da er sich schon zuvor verletzt hatte. Da waren’s nur noch vier.

Danach wurde es dann zum ersten  Mal Nacht. Und Uli hatte ja vorgesorgt und mehr als 2.000 Richtungspfeile an diversesten Stellen angebracht und einige Eimer gelber Farbe verstrichen: Verlaufen unmöglich. Denkste.

Da fehlte doch dann mitten in der Nacht unser Italiener. Hoffentlich haben ihn nicht die Wolpertinger gefressen! Riesenaufregung beim Organisator, den Helfern und dem italienischen Team (samt Freundin). Kaum vergehen dann 4 Suchstunden kommt schon ein Anruf der Polizei aus Rosenheim (wieso von dort weiß bis heute niemand) an Uli: ‚Vermissen Sie einen Läufer?‘ Ja, sicher! ‚Der ist in einer Telefonzelle abzuholen…‘. Laut Beschreibung der Polizei ist die Telefonzelle dann rasch gefunden – sie liegt 13 km abseits der Strecke – und Roberto geht (?) wieder ins Rennen. Mit einem Umweg und 5 Stunden Verspätung. Offenbar haben ihn die 217 km nicht wirklich voll gefordert; er wollte wohl noch etwas weiter laufen…

Was man von Alex, dem Briten, nicht behaupten kann. Er ist sowieso ein Wunder, denn er leidet unter Parkinson und will in den nächsten Jahren 10.000.000 Meter (i.W. zehn Millionen) laufen, um Spenden für die Parkinsonforschung zu ‚erlaufen‘. In Anbetracht seiner Erkrankung – und ich kann da ja mittlerweile leider mitreden – ist das unglaublich. Und seine Leistung beim Europe135 entsprechend herausragend. Klar, daß er es nicht mit den Schnellsten aufnehmen kann und schließlich in Mittenwald am Fuße des Karwendel das Rennen zu Ende gehen läßt. Die letzten 6,9 km mit 1.360 Höhenmetern kommen für ihn nicht mehr in Frage. Womit er aber immerhin 211 km auf dem Weg zum erklärten Ziel abhaken kann. Wir alle stimmen dafür, ihm den Preis für den ‚Sieger der Herzen‘ zu überreichen.

winner and 'team'
Zwischenzeitlich hat unser Amerikaner alle anderen hinter sich gelassen und ist auch noch den Karwendel in atemberaubendem Tempo gelaufen. Er wird somit eindeutiger Sieger in weniger als 28 Stunden. Einfach phantastisch – auch wenn man in Betracht zieht, daß es heuer für ihn schon der vierte Ultramarathon ist.  Und alle – einschließlich Badwater – hat er beendet.

In der Nacht danach bahnt sich dann noch ein dramatisches Finale an: Roberto kommt als Zweiter – trotz seines etwas absonderlichen Umwegs – am dritten Checkpoint an und Erwin führt ihn ('guided'), da die Nacht einbricht, nach oben. Kurz danach erreicht auch der Franzose den Checkpoint und ist wild entschlossen, Roberto noch zu überholen. Und er kommt auch in ‚Schlagdistanz‘. Danach geht’s gemeinsam weiter, bis Roberto noch den Turbo zündet und sich absetzen kann. Er wird also Zweiter.

after up and down finally up and finishing 3rd
Aber was ist mit dem Franzosen? Der sucht verzweifelt nach einem Eingang in den Tunnel zur Bergstation, kann ihn aber nicht finden. Was ihm bleibt, ist der Abstieg bis zur Dammkarhütte, wo schon ein Suchtrupp aufbrechen wollte (war da nicht schon mal so etwas?). Dort übernachtet er und macht sich morgens um 7 Uhr zusammen mit seinem Sohn auf zum Ziel. Das er jetzt auch erreicht – aber halt 8 Stunden später als kalkuliert. Und stocksauer ist er! Auch wenn sich an der Platzierung nichts geändert hätte – er wäre halt auch unter 40 Stunden geblieben, wenn, ja wenn er den Tunnel  gefunden hätte.

Am Nachmittag ist das zwar immer noch sein Gesprächsthema Nummer 1 – aber insgesamt überwiegt bei Athleten und Veranstalter, bei Helfern und Sponsoren die Freude, daß irgendwie alles doch geklappt hat. Und zinftig klingt nach der Siegerehrung der erste 135 Meilen Lauf entlang der Isar bei Schweinsbraten aus – ein bayerisches Kulturgut zu guter Letzt.

hinter schnellen männern steht immer ... eine starke frau: winning teams

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