Ersatzteil – II

Zwei Wochen danach …

Ja – das Teil ist eingebaut und ich laufe (naja, nicht wirklich laufen) schon wieder herum. Das ging alles ratzfatz ruckizucki schnell.

An besagtem Montag brachte mich Eleanor nach Ninewells, wo mein Orthopäde schon auf mich wartete. Er erwies sich als recht nett und malte zur Sicherheit ein 'hier oben' auf meinen linken Oberschenkel, damit nicht aus Versehen die falsche Hüfte ausgetauscht werden würde. 

Richtig - es ist die linke Hüfte zu der der Pfeil zeigt.
Sicherheit wird übrigens ganz groß geschrieben – bei jedem Detail wird nach dem Geburtsdatum gefragt und die Antwort überprüft. Auch nach mehreren Tagen, wenn alle schon jeden Patienten im Detail kennen. Nach dem Orthopäden kam dann der Narkosearzt und wollte mich von der Spinalanästhesie überzeugen. Trotz all seiner und Eleanor's guten Argumente – ich bin nun mal stur und mag die nicht! Basta! Bis mir Eleanor beim Abschied nochmals die Vorteile ans Herz legte und ich einfach nicht mehr widersprechen wollte. Was eigentlich so gar nicht zu mir passt...

Die Zeit bis zur OP konnte ich vor 11:00 noch nutzen, den Krankenhaus Espresso zu testen. Die Service-Dame meinte es (zu) gut mit mir und presste so viel Espresso aus der Maschine, dass die Tasse kräftig überlief .. und lief … und lief. Und nett wie sie mal war goss sie dann einen Teil des Gebräus in den Abfluss und überreichte mir das verbliebene Etwas – ein unsägliches bräunliches Gesöff in einer Espresso-Tasse. Ich war derart geschockt, dass ich nicht mal protestierte, sondern die Tasse nach einem Geschmackstest - den ich überraschend ohne bleibenden Schaden überlebte - einfach stehen ließ.

Zu weiteren Experimenten ließ ich mich nun nicht mehr verleiten sondern verbrachte die Zeit mit Lesen. Und dann wurde ich schon abgeholt. Nach endlos oft wiederholter 'what's your birthday?' Prozedur wurde ich dann gespinalanästhesiert. Oder so – denn bei meinem verkorksten Rücken funktioniert die nicht. Nach all den Diskussionen bekam ich dann doch, was ich wollte. Und mit diesem guten Gefühl ging's ins Reich der Träume...

und als ich wieder in der Wirklichkeit aufgewacht bin gab's draußen zur feierlichen Einstimmung einen feurigen Sonnenuntergang und Eleanor saß an meinem Bett. Und mit ihr 'Porgie', ein Schnurri mit Genen von Poppy und Georgie, das mir die felllose Zeit überbrücken half.

Porgie inmitten von 'Graffel' auf dem Nachtkästchen
Offensichtlich hatte ich also überlebt und irgendwie waren die Schmerzen recht erträglich. Da hat es mir auch nichts ausgemacht, dass mein Bett im 'open plan' designten Ward 16 (das ist sowas wie eine KH-Station) noch 5 Klone hatte. Und ich zwei Mitpatienten mit neuer Hüfte und zwei mit neuem Knie. Früher wäre ich bei so etwas erst gestorben, bevor ich mich genervt ins Schicksal ergeben hätte. Aber es stellte sich als recht gut heraus – rund um die Uhr sind die Nurses für uns da und lautstärketechnisch macht's in einem derart großen Raum auch nicht viel aus. Wieder mal was gelernt und eine Barriere überwunden.

Also erzählte ich Eleanor alles Wissenswerte – wovon ich überzeugt war, obwohl ich ja gar nichts mitbekommen habe. Und weil's anscheinend so wenig war, habe ich in Endloswiederholung die Story der Anästhesie erzählt – habe ich später erfahren. Immerhin habe ich wenigstens für diesen Blackout eine Entschuldigung.

Die nächsten Tage verliefen recht einfach. Essen mußte ich nicht allzu viel, weil ich schon von den Medikamenten gesättigt war. So kann man auch Gewicht reduzieren... Was mich besonders beeindruckt hat war die exzellente rund-um-die-Uhr Betreuung. Keine Wartezeiten wenn's mal pressiert und immer freundliche Nurses. Das hätte ich mir manchmal in der Privatstation in
Großhadern gewünscht.

Mobilitätstraining war schon vom ersten Tag angesagt. Anfangs mit einem Gehwägelchen (ogotogott – ist das furchtbar), später mit Krücken. Und überraschend ging das alles recht easy. Die Belastung auf dem operierten Bein macht keinen Eindruck und es ist vor allem der Muskel, der noch schmerzt. Aber da muss ich durch, denn erst wenn ich den Treppentest bestehe darf ich heim.

Davor waren noch einige kleinere Probleme angesiedelt: Mir war immer extrem heiß und so wurde mir ein lüfterloser Dyson Lüfter ans Bett gestellt. Neueste Technologie – wie aus der Gadget-Show. 

Der DYSON
Etwas konsterniert war ich über meinen Puls. Der wollte sich partout nicht auf den üblichen Stand einpegeln und war in den ersten Tagen immer gut über 100 bis 120 bpm. Als Ruhepuls. Aber anscheinend wurde das als ein temporäres Problem angesehen. So wurde mir also das OK für die Heimreise am Freitag Abend gegeben.

Die erste Etappe des Heimwegs durch die endlosen Korridore von Ninewells trat ich dann im Rollstuhl an, beladen mit einem Thron (Toilettenaufsatz), Greifer (um Bücken zu vermeiden) und Sockenanziehtool – also die Basisausstattung für 'Hippies'. Dazu kamen noch einige weitere Hilfen, die Amazon im Anschluss rasch liefern konnte.

Aber trotz Komplettausstattung ist es zuhause halt doch etwas komplexer als in der Klinik. Glücklicherweise hatte Eleanor in der folgenden Woche zwei Tage Spring-Break, eine Wohltat für mich.

Ja, da begann ich also wieder zu laufen (s.o.) ...

Vier Wochen danach ...

so richtig, ohne Krücken. Wenigstens versuchsweise. Zuhause geht das schon einigermaßen aber die Schmerzen lassen noch keine weiteren Wege ohne Hilfe zu. Trotzdem gehe ich ei gutem Wetter raus und lege eine Runde um unser Viertel hin. Was stetig besser geht.

In der Zwischenzeit haben sich unsere kleinen Samtpfötchen mehr oder weniger an meinen Vierextremitätenantrieb gewöhnt. Nur Poppy ist immer noch vorsichtig wenn ich ohne Hilfen etwas asymmetrisch laufe – stets fluchtbereit.

Mein Puls hat sich deutlich verbessert – dank einer super-duper-intelligenten-smartwatch (ohne die konnte ich einfach nicht mehr leben...). Der Ruhepuls ist bis auf 62 gesunken. Schön ist auch, daß ich eine tägliche Statistik über meine Aktivitäten bekomme, wobei mir nicht klar ist, wie der Schrittalgorithmus beim Laufen mit Krücken funktioniert. Aber anscheinend hat er damit keine Probleme.

Die Wunde ist wunderbar verheilt. Sie war mit über 30 Klammern verschlossen, was eine interessante Erfahrung bei der Entfernung derselben war. Der Chirurg hatte offenbar Freude am Tackern.

Heute – fast sechs Wochen danach ...

gibt es keine quantitativen Fortschritte mehr zu berichten, alles hat sich mehr oder weniger eingespielt. Aber qualitativ geht es weiterhin stark bergauf. Die Krücken verwende ich nur noch, wenn ich zum Einkaufen oder sonstwie in den Ort gehe. Da sind sie eher eine Sicherheit für den Rückweg. Mein erster Einkaufstrip war schön, aber sakrisch anstrengend. Jetzt läuft das alles schon recht flüssig.

Etwas Geduld werde ich noch aufbringen müssen, bevor alles wieder ganz rund funktioniert und dann kann's wieder losgehen: Bike, Schläger und Trolley warten schon. Nur meine Ski haben Erholungspause bis zur nächsten Saison.

Und zuletzt ...

bedanke ich mich bei allen, die Anteil an diesem Ereignis genommen haben.

Und schließlich gilt Eleanor mein ganz großer Dank. Ohne ihre Unterstützung wäre die Rekonvaleszenz nicht derart einfach für mich gewesen.

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