Wenn’s im Denkkast’l fehlt …



… geht man auf die Denkalm.

‚Denkte‘ ich.

Und setzte mir das Ziel, irgendwann mal während des Aufenthalts hier in der Klinik in Lenggries den beliebten Aussichtspunkt zu erreichen. Eigentlich undenkbar bei den Voraussetzungen, die ich noch letzte Woche mitgebracht hatte. Aber: Hindernisse sind da, um überwunden zu werden. ‚Bergisch‘, psychisch und physisch. Und gerade bei letzterem habe ich ja in den letzten beiden Wochen enorm zugelegt.

Da ich aber täglich mit bis zu 9 Anwendungen zugestopft werde, blieb als möglicher Termin nur ein Wochenende. Laut Wetterbericht und eigener leidvoller Erfahrung sollte es möglichst früh sein, bevor der Winter wieder einsetzen würde, die Strecke naß oder gar schneeig sein würde und bei der relativen Steilheit und meiner etwas reduzierten Ausrüstung damit nicht mehr zu gehen wäre.

Also war der vorige Samstag angedacht. Nachmittags sollte Traudl kommen – bis dahin wäre ich sicher wieder zurück… Denkste (Nomen est Omen). Erster Blick aus dem Fenster auf ein wogendes, graues Wolkenmeer, wo ich doch Morgensonne und einen Bilderbuchsonnenaufgang wie die Tage zuvor erwartet hatte. Damit war die Denkalm nicht mehr 320 Höhenmeter entfernt, sondern unerreichbar an dem Tag. Aber – wäre ich doch gegangen! Je länger der Vormittag, desto schöner das Wetter, blau-weisser (ja, das ist a bisserl bairisch) der Himmel und desto größer mein Frust. War nur durch einige Espressi im – sehr zu empfehlenden – ‚Süsser-Laden‘ von Jochen Nagel zu ertragen; ein Glücksfall, daß ich den Laden und noch mehr seinen Besitzer kennengelernt habe. Und nicht nur wegen der Espressi am Samstag.

So passierte eigentlich nix, außer daß Traudl dann noch später als erwartet kam, weil wegen Leonhardi Bad Tölz unpassierbar war und das Navi das nicht wußte. Und als es Traudl dann ahnte, war’s zu spät. Auch für mich und für die Denkalm. Dennoch war’s ein netter Nachmittag, mit einem kleinen Spaziergang in den Ort und einem wieder mal nötigen Besuch von Isar-Acht, wo ich erst wegen meiner Medikamente etwas später zur Schwarzwälder Kirsch kam. Danach pressierte es etwas, weil Traudl möglichst noch bei Tageslicht heimfahren wollte. Und dann bei stockfinsterer Nacht losfuhr. Aber dennoch gut und heil ankam, um ihr Strohwitwendasein (Erwin ist ja grade in Myanmar resp. Birma, wo z.Z. sogenannte Wahlen stattfinden, was aber gar nix mit seinem Besuch zu tun hat) zu genießen.

Das war’s also mit der Denkalm, denn für Sonntag war schlechtes Wetter angekündigt.

Zumindest bis zum Aufstehen. Da sah es auch nicht schlechter aus als am Samstag und deshalb bin ich bis nach dem Frühstück hin- und hergeschwankt (sorry: natürlich nur psychisch, physisch warte ich da immer auf nicht ganz so ebene Wege), ob ich es wirklich angehen sollte. Eigentlich hatte es mir ja niemand verboten (warum auch, ich hatte ja niemand gefragt) und bei Eleanor habe ich auch gleich einen Rückzieher gemacht, als ich ihr mal von diesem möglichen Ziel erzählt habe: ‚No, not seriously. Just a joke. No plan.‘ Also habe ich nicht wirklich davon gesprochen. Faule Ausrede, ich weiß…

Damit war die Entscheidung gefallen: Auf zur Denkalm, bevor es zu regnen beginnt. Für einen Restvormittag war’s mir dann doch zu weit, also bin ich seeehr frühzeitig am Mittagstisch erschienen – nicht gerade normal – hab nur einen Happen gegessen, war aber immerhin da. Falls jemand nach mir gesucht haben sollte. Danach ging‘s los. Ausrüstung:

  • Stöcke: Dazu mußte mein Oldie-Siemens-Stockschirm herhalten, der schon aus dem letzten Jahrtausend stammt (als Siemens noch Werbegeschenke an Kunden verteilte – hoppla, wie komme ich denn da dazu?).
  •  Bergstiefel: Nach einigem Hin- und Her-Überlegen entschied ich mich gegen die Halbschuhe und für die Clarks Sandalen, einfach, weil die noch ein Profil aufweisen.
  •  Funktionsjacke: Meine schwarze Next Jacke muß einfach die Funktion übernehmen, auch wenn sie definitiv nicht bergmodisch ist.
  •  Sonstiges: Ist mir nicht eingefallen. Den Rucksack habe ich dagelassen, um nicht noch mehr als mich schleppen zu müssen. Und ein Getränk würde ich auf der Alm schon bekommen…

Von der Klinik geht’s erst mal kurz durch den Ort (vom Bergweg zum Tiefenweg – bei dem ich immer noch nicht weiß, warum er so heißt und am oberen Ende des Ortes liegt, wo denn dann auch gleich der Höhenweg liegt) und dann weiter auf der Straße Richtung Brücke, wo sich der Weg zweigt: Links geht’s zur Denkalm – angegebene Gehzeit ist 30 Minuten - rechts geht’s zur Denkalm – angegebene Gehzeit ist 70 Minuten. Zuzüglich der Weg von und zur Klinik für den ich jeweils 20 Minuten einkalkulieren mußte. Das hatte ich bei ‚Testspaziergängen‘ schon eruiert. Natürlich stimmen die Gehzeiten mitnichten – das sind die Zeiten für die alten Omas und Opas und die kinderwagenschiebenden, untrainierten Eltern. Letzthin sind Eleanor und ich den linken Weg in 22 Minuten hochgeschlendert, und das war kurz vor der Op. Und als Eleanor und Lindsay mich hier besucht haben, haben sie zuvor noch schnell die Runde gedreht und für den rechten Aufstieg so um die 45 Minuten gebraucht. Aber das sind ja auch die Bergrenner und nicht –genießer.

Ich genieße also den Aufstieg auf der kürzeren Strecke (etwas übertrieben – ehrlich: ich quäle mich etwas hinauf), aber so langsam, daß ich mich nie so richtig übernehme, auch nicht an den steilen Stücken des Wegs. Und so komme ich ‚schon‘ nach 45 Minuten an der Hütte an. Stolz, richtig stolz. Auch wenn einige ‚echte‘ Bergwanderer sich ob meiner etwas minimalistischen Ausrüstung schier die Augen ausschauen. Macht mir aber nix. Ich bin ja da und es gibt auch eine heiße Schokolade mit Sahne. Den sonst obligatorischen Hüttenwurstsalat lasse ich mal aus. Trotz des bedeckten Himmels ist der Blick von der Hütte immer wieder beeindruckend. Vorne grüßt das Brauneck mit der ‚Benewand‘, daneben ist der Überblick über den gesamten Karwendel und etwas weiter das Wettersteinmassiv. Daneben noch unzählige Spitzen, die ich nicht immer ganz genau einordnen kann. Diesmal muß wieder mein Handy als Dokumentationsfotoapparat herhalten – mehr wollte ich nicht mitnehmen.

Super Panorama-Blick von der Denkalm auf Brauneck, Wetterstein und Karwendel

 Nach relativ kurzer Pause geht’s dann an den Abstieg. Ja, denkste. Nein – mach doch die ganze Runde. Sind ja insgesamt nur 425 Höhenmeter, die wirst Du schon schaffen. Natürlich in gleichem Speed, wie zuvor. Anfangs fand ich das noch eine Klasse Idee – ging’s doch nur moderat bergauf, aber je weiter es bergauf geht, desto weiter muß man halt auch wieder hinunter und da gibt es schon einige ‚bemerkenswerte‘ Stellen, insbesondere eine, direkt  nach dem gerade eingerichteten Pulsmeßplatz

etwas archaisch anmutende Pulsmeß-Station - ohne Geräte aber mit Sitzplätzen
 (der ist wirklich intereressant – ich hatte eine völlig falsche Vorstellung von Pulsmessungen – wohl aus der Klinikerfahrung). Die hat da gut und gerne so 25% Gefälle, was normalerweise nicht gerade ein Problem ist, aber bei meinem schwankenden Gang auf unebenem Gelände und der hervorragenden Ausrüstung doch etwas sensibel zu nehmen ist. Ging aber alles gut. Und von da an dann auf dem bekannten Weg relativ rasch bergab. Was nach einiger Zeit meine Knie so richtig zu schätzen wußten: In der Klinik werden sie ja nicht so sehr beansprucht – auf dem Laufband und dem Ergometer. Also mußten sie sich wohl oder übel erholen und durften einfach nicht mehr schmerzen. Dafür aber – nach der Denkalm umso mehr. Schön – es schmerzt wieder normal, also muß alles beim Alten sein: Der Beweis, daß es bergauf geht mit mir. Auch wenn der bergab geführt wurde.

Also Fazit: Irgendwann schleiche ich mich am Nachmittag in die Klinik und schleunigst ins Bett. Und schlafe postwendend ein. Dann noch einige Erfolgsmeldungen an Viola (‚Dein Dickschädel scheint wohl noch zu funktionieren‘ – oder so ähnlich – und an Eleanor, die aus mir nicht bekannten Gründen gar nicht negativ reagiert), ein Wurstsalat-Dinner (immerhin jetzt ein Standard-Hüttenessen) und danach ein early bed… Und Schlaf mit kniebasierten Unterbrechungen. Und der Montag mit Ergo-, Fahrradtraining und noch KG: Ein Fegefeuer nicht nur für’s rechte Knie, sondern schließlich für den ganzen Kerl. Mitleid hatte aber niemand – auch ich nicht – und braucht auch niemand zu haben, denn das war toll. Ein Beweis, wie schnell ich mich unter guter Anleitung erholen (?) kann resp. wieder aufgebaut werde. Auch wenn ich dann am Montag schon um 19:00 im Bett lag und selig geschlummert habe – das war’s wert! Und heute – Dienstag – geht’s schon wieder viel besser – auch das Ergometer hat wieder unter mir zu leiden (ich habe – Muskelmasse (!) – zugenommen).

Und – einige Ziele bleiben mir für die nächsten beiden Wochen immer noch… Mal sehen.

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