Krakow - the Beautiful

So hat sie der Spiegel kürzlich genannt, als die drei Großstädte in Polen charakterisiert wurden. Krakau - die Schöne.

Auf dem Wawel
Das hatte Eleanor wohl im Sinn, als sie mir den Trip für das EIIR verlängerte Wochenende zum Geburtstag schenkte. Wieder mal ein 'break' mit Cr... resp. Kr. Offenbar haben es uns die Crianlarich, Craigellachie und Krakows angetan. Mal sehen, was als nächstes dran ist.

Dank Ryan Air und einer Abflugszeit nach 18:00 verbrachten wir den Samstag noch fast vollständig in Edinburgh und konnten Lindsay's Geburtstag etwas vorfeiern, der dummerweise genau in die Reisezeit fiel. Eleanor gelang es, zwei Plätze in den - normalerweise verkauften - Emergency Exit Reihen zu ergattern, was exorbitante Beinfreiheit für den Flug mit sich brachte. Well done.

Die Einreise ins Nicht-Euro-Land Polen war simpel - viel schneller als etwa in München, wenn man auch aus Edinburgh kommt. Kaum Wartezeit und freundliche (ihr Münchener Beamten nehmt Euch daran mal ein Beispiel) Paßkontrolle. Alles easy - auch bei Ryan.

Vor einigen Jahren war ich schon mal nach Krakau geflogen, damals noch dienstlich, um einen Workshop in Zakopane abzuhalten. Aber ich konnte mich partout nicht mehr an den Flughafen erinnern - außer, daß neben der damaligen LH Maschine auch eine Ryan Air geparkt hatte. Und - daß der Weg zum Flughafen nicht beschildert war, was damals bei der Rückreise zu einem fast verpaßten Flug geführt hat. Aber - das ist alles Historie.

Eleanor hatte ein schnuckeliges Hotel etwas außerhalb des Zentrums gemietet, in dem - als wir ankamen - grade mal eine Hochzeit gefeiert wurde. Nachdem wir das Zimmer getauscht hatten, hat uns danach nur noch der Conferencier gestört, der im 45 Minuten-Takt vor sich hindröhnte. Verstanden haben wir natürlich nichts.

Was macht man dann in Krakau? Nach einem vortrefflichen Frühstück - das Restaurant des Hotels war überaus bemerkenswert, was Qualität und Service angeht - machten wir uns auf ins Zentrum. Auf den Wawel (Hügel) mit der Stanislawa Kathedrale und dem Königsschloß. Wo normalerweise Schlangen anstehen für die Tickets zu wasauchimmer. Da wir nicht vorhatten, alle Gräber der Könige Polens und das des ehemaligen Präsidenten Lech Kaczynski zu besuchen, blieb uns das Queing erspart. Und das Warten - denn es war ja Sonntag und da kommen erst mal die Gläubigen dran und dann erst die Touris. Und ich wollte partout nicht vorgeben, zu den ersteren zu gehören...

So 'eroberten' wir nur den Hügel Wawel - was seiner Schönheit keinen Abbruch tat.

Überall stößt man natürlich auch noch auf Hinweise zu Johannes Paul II - der hier einige Zeit Bischof war. Die deshalb angebotenen Traces of the Pope Touren haben wir uns aber auch gespart.

Viel mehr wollten wir einen Eindruck vom quirligen Leben der Stadt bekommen. Was uns grade besonders gut gelang, als wir - ohne es im vorhinein gewußt zu haben - mitten in die Drachenparade gekommen sind. Die wird jedes Jahr abgehalten, zu Ehren  (?) - zum Gedenken (?) - zur Besänftigung (?) des Drachens auf dem Wawel. Jedenfalls waren viele Drachen da, sogar ein deutscher Fußball-EM Drache. Der war aber ein bißchen mickrig und hat sich uns auch nur von hinten gezeigt. Was hoffentlich kein schlechtes Zeichen für die EM sein wird.
Der detusche EM Drache - nicht gerade Furcht erregend
Irgendwann haben wir dann eine reizende Auslage eines Cafés gesehen - und dann das Café selbst. Ein echtes Kleinod, mitten in der Stadt.

DAS Café in Krakau - besser geht's nicht
Überall mit Blumen verziert, verspielte Architektur und opulente Kuchen. Eine echte Versuchung, visuell und gastronomisch. Der wir dann ohne Zögern nachgegeben haben: Zunächst nur zu einem Espresso, dann aber zu einem edlen Eisbecher: Eleanor hat sich einen Kid's Dream rausgesucht und ich die Ghost Lady. Beiden gemein war ihre jeweilige Größe - nicht von einem normalen Menschen ohne nachhaltige Magenprobleme eßbar und die Einzigartigkeit ihres Designs.
Espresso im Meissener Porzellan, Eisbecher als Kunstwerk
Nicht nur das Café ist ein Kunstwerk an sich, sondern auch seine Produkte. Liebevoll verziert, eigentlich viel zu schade zum Essen. Aber - dafür sind sie halt mal da. Und dann haben wir für die zwei Kunstwerke und die Espressi so um die 10€ bezahlt. Gottseidank sind wir nicht immer da, das würde schnell in Gewichtszunahme münden (hat es übrigens in den drei Tagen auch schon ein bißchen).

Nicht alle Drachen sind Drachen und nicht alle sind Furcht erregend...
Noch folgen wir dem Weg der Drachenparade, die aber schon im Zentrum angekommen ist. Wir genießen, die Auslagen der kleinen Geschäfte zu sehen, den omnipotenten Bernsteinschmuck (Geschmackssache), die kleinen handwerklichen Kunstwerke und die vielen kleinen Restaurants. Schön, ein Stadtzentrum zu sehen, das völlig lebendig und nicht von stillosen Schuhläden oder Ähnlichem dominiert wird.

Der Hauptmarkt - das Zentrum von Krakau
Kein Wunder, daß der Hauptmarkt voller Menschen ist. An zig Blumenständen wird Blütenpracht pur verkauft - zu Dumpingpreisen, verglichen mit den heimischen. Kinder toben am Adam-Mickiewicz Denkmal - und darauf und beleben die Skulpturen. Straßenkünstler gibt's alle paar Meter und schließlich noch die Wahl 'Krakau sucht den Superdrachen' (so heißt es wohl nicht, würde aber gut passen, auch wenn ich den DB nicht gesehen habe). Aus den Augen eines liegenden Kopfes schauen Kinder auf das Treiben und treiben selbst ihre Faxen. Und in den Markthallen gibt es alles, was man als Touri so mitbringen kann (aber nicht unbedingt muß).

Die Marienkirche mit ihren asymmetrischen Türmen
Dominiert wird der Platz von der Marienkirche, deren Wahrzeichen die unterschiedlich hohen Türme sind. Dazu gibt es zwei Geschichten. Zunächst die Sage: Gebaut wurden die Türme von zwei Brüdern. Als der eine seinen Turm höher baute, erdolchte ihn der andere aus Wut. Um dann - aus Trauer - selbst den Tod von seinem Turm zu suchen. Dann die nüchterne: Der höhere Turm ist als Beobachtungsturm gebaut und besitzt deshalb ein höheres Dach, der andere ist der Glockenturm. Naja - bleiben wir mal bei der ersten Interpretation - auch wenn der Beobachtungsturm eine wahre Geschichte hat: Zum Gedenken an einen auf dem Turm erschossenen Beobachter spielt jede Viertelstunde ein Trompeter eine Melodie, die einmal am Tag sogar live im Radio übertragen wird. Jeden Tag, wohlgemerkt.

Der Altar der Marienkirche - im Krieg aus Sicherheitsgründen in Nürnberg gelagert
Das Innere der Marienkirche ist - opulent. Kein Fleckchen ohne Bemalung, Stuck, Verzierung, etc. Dennoch erscheint die Kathedrale weniger überfrachtet, als viele andere dieser Art. Das Licht erscheint durch die farbigen Scheiben warm und angenehm. Die Proportionen 'stimmen' und sind 'Nahrung für die Augen'.

Insgesamt haben wir uns in die Altstadt schon ein bißchen verliebt. Es ist einfach schön, alte Bausubstanz zu sehen, die seit Jahrhunderten von Kriegen verschont geblieben ist und deshalb ihren eigenen gewachsenen Charme besitzt.

Auch wenn sich dieser Charme nicht überall fortsetzt - echte Architektursünden sind in der Stadt selten. Einige Gebäude des 20. Jahrhunderts können jedoch ihre Herkunft nicht verleugnen und müßten eigentlich wegen ihrer Tristheit und Einfallslosigkeit 'entsorgt' werden. Aber - auch solche Gebäude sind eher selten.

Naja - immerhin gibt's Blumen im Fenster
Etwas außerhalb der Altstadt finden wir jedoch auch vieles, woran der Zahn der Zeit schon etwas genagt hat. Insbesondere Kazimiercz, das Viertel um die große Synagoge - wo heute nur noch ganz wenige Juden leben - ist fotogen, aber halt auch etwas beschädigt. Dennoch hat es seinen Reiz, mit den vielen winzigen Lädchen mit Kleinkunst und jedes zweite Haus scheint ein Restaurant, eine Bar, eine Kneipe zu sein.

Anmutige Brücke - mit Hintergrund ...
Über die Weichsel führt eine anmutige Fußgängerbrücke von Kazimiercz nach Podgórze, dem ehemaligen Judenviertel und Drehort von Schindlers Liste. Die Brücke wird von Verliebten verwendet,  um ihre immerwährende Liebe durch das Anbringen eines Schlosses zu dokumentieren. Ich nehme an, daß der Schlüssel dann in den Fluten versinkt. Was dummerweise an einigen Stellen dazu geführt hat, daß Schlösser geknackt wurden; offenbar ist ewige Liebe halt in manchen Fällen doch endlich... Jedenfalls würde ich - sollte ich ein Geschäft in Krakau eröffnen - einen Shop mit Schlössern und (!) einen Schlüsseldienst an der Brücke etablieren - da kann dann nichts mehr schief gehen...

Mittels Schloß zur 'ewigen Liebe'
In  Podgórze sind wir dann mit der bedrückenden Geschichte des Ghettos und der Deportation von Juden nach Auschwitz befaßt. Der Platz, an dem die Juden sich einzufinden hatten, ist in ein Denkmal umgewandelt. Symbolisch stehen hier die leeren Stühle, auf denen niemand mehr Platz nehmen wird und an die niemand mehr zurück kommt. Einen Einblick in die Geschichte bekommen wir durch einen 'Free Guide', der eindrucksvoll über diese Elendsjahre berichtet.

Beeindruckendes Denkmal für die deportierten Juden Krakaus
Spätestens da haben wir endgültig beschlossen, Auschwitz zu besuchen - auch wenn ich derartige Orte als zu deprimierend empfinde. Wir fahren mit einem Minibus fast 1 3/4 Stunden und finden uns dann in Auschwitz irgendwie in Disneyland wieder. Eine unglaubliche Menge an Menschen sind an diesen Ort der Vernichtung gekommen - aber viele empfinden das offensichtlich nicht in dieser Art. Da wird anstandslos fotografiert - Mama mit Kids vor dem KZ-Eingang - auch eine Erinnerung... Wir machen uns statt dessen zu Fuß auf nach Birkenau, dem Ort, an dem 1,5 Millionen Menschen ihr Leben ließen. Es ist dort weitläufiger und etwas ruhiger. Aber halt auch bedrückend. Die Zahl der Toten ist so hoch, daß sie eigentlich gar nicht begreifbar ist: Erst wenn man bedenkt, daß zum Höhepunkt der Tötungsmaschinerie täglich etwa 10.000 Menschen ermordet und verbrannt wurden, kann man sich vorstellen, welch unmenschliches Denken ein solches Verbrechen ersinnen und durchführen konnte.

Den Weg zurück nehmen wir nach der Minibuserfahrung mit der Bahn. Wegen des beachtlichen Durschnittstempos - das sicher etwas über Fußgängergeschwindigkeit liegt - können wir die Umgebung gut beobachten - es ist aber nur Wald, viel Wald, sehr schön. Erst kurz vor Krakau kommen wir an eine Haltestelle (heißt irgendwie so wie Industrial Dingsbums - in München wäre es 'Siemenswerke'), wo sich der bis dahin fast leere Zug blitzartig füllt - überfüllt - um dann mit erhöhter Geschwindigkeit Richtung neuer Hauptbahnhof zu düsen.

Der ist wirklich bemerkenswert. Die Gleise sind im Untergrund (war da nicht sowas wie Stuttgart 21?) und darüber ist eine moderne Mall. Mit allem was man brauchen kann, aber nicht unbedingt haben muß (siehe dazu auch Dubai Mall, etc. - wo anders auf meinem Blog). Hier sehen wir auch zum ersten Mal Zeichen der Fußball EM - wenn man den etwas mickrigen Deutschlanddrachen mal nicht dazu zählt. Aber dennoch gibt's keine Zeichen der Begeisterung - kaum mal ein polnischer Wimpel an einem Auto und die Adidas- und anderen Fußballstände sind - bis auf Verkaufspersonal - verwaist. Na denn - frohes Fußballfest.

Der Dienstag war dann total verregnet, weshalb wir unsere etwas malträtierten Beine schonten und es uns im schönen Wellness-Bereich unseres Hotels gut gehen ließen. Auf Nachfrage konnten wir sogar bis 19:00 bleiben, denn unser Flug ging ja erst um 22:05. Und da wir uns nach der verwendeten Kosmetik erkundigten, erfuhren wir, daß es die hoteleigene Linie sei. Und bekamen als kleines Geschenk viele Proben mit.

Auf dem Weg zum Airport überholten wir dann noch den Bus mit der englischen Nationalmannschaft, die zwar in Krakau wohnt, aber nie dort spielt. Daß es gute Gründe gibt, das Domizil dort aufzuschlagen, haben wir auch in den wenigen Tagen erfahren. Es war sicher nicht das letzte Mal, daß wir Krakau besucht haben.

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Mehr Fotos gibt's hier..........

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